Wer schon einmal in Albaniens nördlichster Region, dem Kelmend, unterwegs war, weiß, dass es hier noch viel zu entdecken gibt. Viele Reisende verpassen diese Gegend, weil sie vorher schon Richtung Theth oder Valbona abbiegen, welche wohl deshalb berühmter sind, weil dort der Peaks of the Balkans-Trail entlangführt, was allerdings auch bedeutet, dass man dort kaum noch allein unterwegs ist. Im Kelmend dagegen hat man viele Wege oft komplett für sich. Wie lange das noch so bleibt, bei dieser außergewöhnlichen Schönheit, ist allerdings fraglich. Denn die Gegend ist genauso spannend und landschaftlich eindrucksvoll wie die bekannteren Ziele in den Albanischen Alpen.
Ein perfektes Beispiel im Kelmend ist dafür der Ujëvara e Selcës, ein Wasserfall, den man bequem an einem Nachmittag erreichen kann. Der Trailhead liegt direkt an der asphaltierten Hauptstraße, die durch den letzten Zipfel Albaniens weiter nach Montenegro führt. Viele fahren hier einfach nur durch, meist auf dem Weg von Plav Richtung Shkodra, und halten nicht an. Es lohnt sich aber wirklich, einen Stopp einzulegen und von der Straße in die weniger bekannten Seitentäler abzubiegen. Wie auch hier!


Der Ujëvara e Selcës selbst ist noch ein echter Geheimtipp. Ich habe auf der gesamten Wanderung nur zwei Leute getroffen, und das gleich am Anfang, auf den ersten hundert Metern. Danach war ich komplett allein. Der Ausgangspunkt ist mit dem Auto oder per Minibus erreichbar, sofern man vorher die Koordinaten kennt oder sich gut informiert hat. Parkplätze sind rar, aber weil kaum Besucher da sind, kann man problemlos unten am Friedhof parken, der sich direkt beim Startpunkt befindet. Der Friedhof selbst ist verschlossen und wirkte auch nicht so, als ob dort täglich jemand vorbeischaut. Direkt daneben liegt noch eine Schule, die in schulfreien Zeiten ebenfalls eine Parkmöglichkeit bietet.


Der Trail ist insgesamt etwa 6,5 Kilometer lang und führt zunächst spürbar bergauf. Vor allem auf dem Rückweg merkt man, dass es stellenweise doch ganz schön steil ist — runterzugehen kann ja manchmal anstrengender sein als rauf, vor allem mit vielen kleinen, losen Steinen unter den Füßen, auf denen man leicht wegrutschen kann. Der Weg ist aber grundsätzlich immer gut sichtbar und markiert. Den Schwierigkeitsgrad würde ich mit 3,5 von 5 bewerten, je nachdem, wie trittsicher ihr seid. An manchen Stellen muss man etwas kraxeln, aber nie höher als einen Meter. Auf halber Strecke führt er über großfelsige Abschnitte, die aber nicht rutschig sind, aber ein bisschen Aufmerksamkeit fordern. Weiter oben wird es waldiger und schattiger, was sehr angenehm ist.

Über den Hinweg legt man etwa 500 Höhenmeter auf rund dreieinhalb Kilometern zurück. Das sollte man nicht unterschätzen. Eine Karte ist für die Orientierung nicht zwingend nötig, trotzdem würde ich empfehlen, den GPX-Track vorher herunterzuladen (hier!) und in einer guten Wander-App wie der Rother-App zu speichern. Gerade im letzten Drittel ist das hilfreich.

Landschaftlich ist der Weg wirklich traumhaft. Immer wieder öffnen sich fantastische Ausblicke in die Schlucht und auf die umliegenden Bergmassive, die in alle Richtungen beeindrucken. Irgendwann kommt dann auch der Wasserfall auf der anderen Seite der Schlucht das erste Mal in Sicht, welcher dann auch der Punkt sein wird, an dem man wieder umdreht. Vielleicht, nachdem man am Wasserfall aber nochmal ins eiskalte Wasser gesprungen ist, wofür ich aber zu sehr Frostbeule bin.
Ein letzter Tipp: Geht diese Wanderung unbedingt am Nachmittag. Wenn ihr auf der linken Seite der Schlucht startet, habt ihr zu dieser Tageszeit durchgehend Schatten, und auch auf dem Rückweg, wenn ihr die rechte Seite nehmt, ist auch dort schon der Schatten angekommen. Das macht die Tour nicht nur einfacher, sondern auch deutlich angenehmer.

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Oder habt ihr noch andere Geheimtipps zum Wandern im Kelmend oder im Balkan?
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